Warum ist in meinem Labor keine Entzündung sichtbar?

In diesem Forum können medizinische Fragen gestellt werden, welche durch den Sjoegrenspezialisten Herr Prof. Dr. Stephan Gadola beantwortet werden. ACHTUNG: Bitte nehmt hier keinen Bezug zu allfälligen Praxisbesuchen bei Herrn Dr. Gadola.
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kecks86
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Warum ist in meinem Labor keine Entzündung sichtbar?

Beitrag von kecks86 »

Guten Tag,

bei mir steht seit 7 Monaten die Verdachtsdiagnose Sjögren-syndrom mit sekundärer Fibromyalgie. Mir geht es nun schon seit 2 Jahren sehr schlecht und mein Allgemeinzustand verschlechtert sich leider immer weiter. Seit der Verdachtsdiagnose nehme ich 400mg Quensyl am Tag. Leider noch ohne Wirkung. Zudem nehme ich noch zwei antidepressivas wegen den Schmerzen und den depressiven Verstimmungen.
SS-A waren jetzt zweimal leicht positiv und das letzte Mal wieder negativ. Ich habe in der Kur gelernt, dass die Entzündungsaktivität jedoch nicht damit gesehen werden kann. Dafür sind Blutsenkung und noch weitere Marker wichtig. Jedoch hat sich bei mir im Labor noch nie eine Entzündungsaktivität feststellen lassen. Meine ganzen Blutwerte sind immer gut. Sogar eine sehr differenzierte Untersuchung der B-Zellen usw zeigte vor 1 Jahr keinen Hinweis auf eine Autoimmunreaktion oder eine chronische Entzündung.
Meine Befindlichkeit wird leider immer schlimmer anstatt besser. Ich merke seit 2 Jahren keine "Schübe" mehr, sondern habe nur bessere und schlechtere Tage. Meist geht es mir 1 Woche etwas besser und dann wieder 2 Wochen sehr schlecht. Als hätte ich Grippe. Danach habe ich dann meist dauerhaft mehr Beschwerden oder eben schlimmere. Seit dem letzten "Schub" habe ich nun chronische Gelenkschmerzen. Diese gingen sonst immer in der einen besseren Woche wieder weg.
Meine Schwester ist Medizinerin und meint das sei bei Autoimmunerkrankungen ganz normal. Man hat einen Schub, dann erholt man sich etwas davon und dann kommt der nächste Schub. Jedoch können wir uns einfach keinen Reim darauf machen, dass mein Blutbild immer so gut aussieht, obwohl die Symptomatik typisch ist und es mir sehr schlecht geht...
Können sie mir vielleicht darauf eine Antwort geben?
Ich hatte gehofft, dass das Quensyl meine Symptomatik verbessert. Dem ist leider nicht so. Gibt es schulmedizinisch überhaupt noch eine Möglichkeit, dass es mir je wieder besser gehen wird?

Freundliche Grüße
kecks86
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

sehr geehrte "Kecks86",

Aus Ihren Angaben ist nicht wirklich ersichtlich, dass Sie an einem primaeren Sjoegren Syndrom leiden, oder einer anderen Autoimmunkrankheit. Ein chronisches Muedigkeitssyndrom (chronic fatigue) mit Fibromyalgie und evt. einer latenten Depression scheinen andererseits wahrscheinlich. Gewisse Antidepressiva koennen Trockenheitssymptome hervorrufen oder deutlich verschlechtern - erkundigen Sie sich bei dem Arzt, welcher Ihnen die Medikamente verschrieben hat. Die "Gelenkschmerzen" koennten z.Bsp. mittels Ultraschalldiagnostik (vom geuebten Spezialisten, z.Bsp. einem in dieser Technik ausgebildeten Rheumatologen) untersucht werden, und dabei koennte festgestellt werden, ob die Schmerzen auf Entzuendungen der Gelenke beruhen oder nicht. Schmerzen im Bereich der Gelenke sind auch bei Fibromyalgie haeufig, aber nicht entzuendlichen Ursprungs. Von der Objektivierung dieser Befunde, also der Frage ob Entzuendung festgestellt werden kann oder nicht, haengt die Therapie und der Therapieerfolg entscheidend ab. Bei Fibromyalgie sind "schulmedizinische" Ansaetze meist nicht erfolgreich, bei Entzuendungskrankheiten dagegen sind sie absolutes Mittel der Wahl.

Ich hoffe, dass sich die obigen Fragen bald klaeren lassen und wuensche Ihnen alles Gute.

mit freundlichen Gruessen
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Professor of Immunology & Consultant in Rheumatology, University Hospital Southampton,
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kecks86
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Beitrag von kecks86 »

Guten Tag Herr Gadola,

falls meine Erkrankung kein Sjögren-Syndrom ist und dafür ein CFS sollte dies mich doch eigentlich freuen, oder? Ich habe einmal gelesen, dass das CFS nach einigen Jahren oft ausheilt, oder wenigstens eine große Verbesserung zeigt. Stimmt das?
Dass ich eine Fibromyalgie habe weiß ich ja. Dies wurde anhand von Blutwerten (Antikörper gegen Serotonin und Ganglioside) festgestellt. Auch dazu passt, dass Schmerzmittel bei mir keine Wirkung zeigen. Anfangs etwas, dann aber schnell nicht mehr.
Für die Schmerzen/Schlafstörungen und depressive Verstimmungen nehme ich Mirtazapin. Ich weiß, dass dieses Medikament einen trockenen Mund macht, jedoch machen auch alle anderen Medikamente dieser Wirkungsgruppe einen trockenen Mund. Leider wirkte auch dies nur anfangs gegen die Schmerzen. Dann kamen sie leider zurück.
Gegen die Fibromyalgie spricht jedoch, dass bei mir die Schmerzen gegen Nachmittag/Abend am schlimmsten sind und nicht wie bei anderen Betroffenen morgens.
Kennen sie eventuell eine gute Behandlungsmethode der Fibromyalgie/CFS, welche die Krankheit erträglicher macht?

Was jedoch auf das Sjögren hindeutet sind die "Kopfschmerzen" genau über den Augen und unter den Ohren. Manchmal habe ich einen sehr starken Druck auf den Ohren. einen Tinitus in beiden Ohren habe ich auch. Mein Rheumatologe hat eine Speicheldrüsenszintigraphie machen lassen. Da kam heraus, dass meine Ohrspeicheldrüsen fast nicht mehr arbeiten bzw. erheblich weniger durchblutet sind.
Und falls es das CFS ist, warum waren dann die SS-A zweimal positiv?
Wenn ich ehrlich bin würde ich mich sehr freuen, wenn es nicht das Sjögren Syndrom ist, sondern "nur" das CFS. Denn dann wüsste ich, dass sich mein Zustand irgendwann auch wieder stabilisieren würde.

Mit freundlichen Grüßen

kecks
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Kecks86,

Die von Ihnen beschriebenen Kopfschmerzen sind typisch fuer Spannungskopfschmerzen (nicht entzuendlich). Gegen FMS und CFS ist am besten regelmaessige leichte aerobe koerperliche Aktivitaet (z.Bsp. walking) geeignet. SSA waren bei Ihnen offenbar nur sehr leicht positiv und dann auch wieder negativ. Bei primaeren SS waeren sie konstant klar positiv und auch die SSB waeren positiv. Ich bin zuversichtlich, dass sich Ihr Zustand in Zukunft deutlich verbessern kann, auch wenn eine solche Prognose aus der Distanz natuerlich "ohne Gewaehr" ist.

Freundliche Gruesse aus UK
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
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Southampton, UK
kecks86
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Beitrag von kecks86 »

Guten Tag Herr Gadola,

vielen Dank für ihre Hilfe. Ich werde mit meinem Rheumatologen darüber reden.
Wäre es eventuell sinnvoll eine Lippenbiopsie durchführen zu lassen, um das Sjögren-Syndrom ein für allemal aus meinem Gedächtnis zu verbannen?

Freundliche Grüße

kecks
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

sehr geehrte Kecks,

sorry fuer die verspaetete Antwort - ich war ferienhalber abwesend.

Eine Lippenbiopsie koennte zum sicheren Auschluss (oder Nachweis) eines primaeren Sjoegren Syndroms durchgefuehrt werden, sollte aber vom erfahrenen HNO Arzt gemacht werden.

mit freundlichen Gruessen
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Professor of Immunology & Consultant in Rheumatology, University Hospital Southampton,
Southampton, UK

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