Resultat Lippenbiopsie

In diesem Forum können medizinische Fragen gestellt werden, welche durch den Sjoegrenspezialisten Herr Prof. Dr. Stephan Gadola beantwortet werden. ACHTUNG: Bitte nehmt hier keinen Bezug zu allfälligen Praxisbesuchen bei Herrn Dr. Gadola.
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Sarah
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Resultat Lippenbiopsie

Beitrag von Sarah »

Sehr geehrter Herr Prof.Gadola

Sie kennen meine Geschichte. Im Dezember wurde die Lippenbiopsie gemacht und mir 14 Tage darauf gesagt, (Rheumatologe, Immunologe) ich hätte das Sjörgen-Syndrom sicher. Ich versuchte mich zu arrangieren, die klinischen Symptome hatte ich ja schon, der Magen hatte sich inzwischen beruhigt.
Es war wohl eine Gastroenteritis, die nichts mit dem "Sjörgen" zu tun hatte.

Nun gehe ich am 16.1. erneut zur Kontrolle zum Arzt und dieser hat inzwischen den Bericht des Institutes für Klinische Pathologie vor sich.
Im Dezember hatte er sich nur telefonisch erkundigt, da der Bericht noch fehlte, aber trotzdem klar mir die Diagnose Sjörgen gesagt.

In diesem Bericht steht als Diagnose:
Speicheldrüse Unterlippe median: "Gering-bis mässiggradige chronische lymphozytäre Sialadenitis (Grad 2 Chisholm und Masson) Kein Nachweis von Malignität.

Nun sagt der Immunologe plötzlich, er sei sich nicht sicher, ob es ein Sjörgen sei, da ich, wie Sie wissen, keine spez. Antikörper hätte und keine Entzündungszeichen (bsp. erhöhtes CRP) im Blut.

Nun-ich versteh die Welt nicht mehr- es verunsichert mich sehr dieses Hin- und Her, vor allem, weil ich auch wieder leichte Arthralgien in den Fingern und Zehen habe.
Einmal sagt man mir so, einmal so und immer hoch überzeugt, das verstehe ich nicht mehr.
Meine Fragen deshalb an Sie?

1.Vielleicht ist es am Anfang und man sollte vielleicht gerade jetzt, wo noch nicht alles kaputt ist, immunsuppressiv behandeln?

2.Oder macht man dann später nochmals eine Biopsie?

3.Kann sich der Befund verändern? (verschlimmern, verbessern?)

4.Wenn es doch eine chronische lymphozytäre Entzündung in den Speicheldrüsen Grad 2 ist, ist es doch nicht einfach ein Sicca-Syndrom, das ist doch mehr als ein Sicca-Syndrom?

5.Und dasselbe ist ja in der Schilddrüse (Hashimoto seit 1/2012) und in den Augen? Weshalb ist es nicht eine einzige Krankheit?

6.Genügen denn die Diagnosekriterien nicht für ein sekundäres Sjörgen-Syndrom?

Inzwischen arbeite ich weiter voll am Gericht und es geht, wenn ich tapfer bin.

Ganz liebe Grüsse und in grosser Dankbarkeit für Ihre Antworten.
Sarah
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Sarah,

Es tut mir leid zu hoeren, dass Sie durch unterschiedliche Aussagen verunsichert sind. Das ist leider recht haeufig bei diesen Erkrankungen (Sjoegren und andere Konnektivitiden)!

Zu Ihren Fragen, soweit ich diese aus Entfernung beantworten kann:

1. Die Biopsie hat bestaetigt, dass sich in Ihren Speicheldruesen eine Entzuendung abspielt, und das ist immerhin schon einmal ein solider Befund. Chronisch lymphozytaere Entzuendung passt zu Sjoegren, ist aber alleine auf sich gestellt nicht spezifisch. Beim Sjoegren Syndrom werden verschiedene Kriterien zur Diagnostik und Klassifikation angewandt. Bezgl. Biopsiedaten kommt es darauf an, wieviele entzuendliche Herde pro untersuchter Flaeche (im Gewebeschnitt) vorhanden sind, und wieviele Lymphozyten sich in den einzelnen Herden befinden. Genauer: Wieviele Lymphozten pro 4mm2 gezaehlt werden; Sind es >50 Lymphozten dann wird dies als "Focus" gezaehlt. Bei Sjoegren finden sich typischerweise mehr als 1 Focus. Ihr Rheumatologe koennte also den Pathologen anfragen wie die Biopsie gemaess dem "Focus Score" gewertet werden kann.
Die Diagnose stuetzt sich aber auf eine Kombination von Faktoren, und letztendlich ist Ihr Rheumatologe dafuer zustaendig da er alle Informationen hat und Ihre Betreuung langfristig managen soll. Die Therapie richtet sich nach verschiedenen klinischen Gesichtspunkten, jedoch nie einfach auf ein Antikoerperprofil. Die Entscheidung immunsuppressiv zu behandeln liegt wiederum beim Rheumatologen - das kann ich auf Distanz leider nicht beurteilen.
Zusammengefasst: Die Resultate wuerden zu Sjoegren passen, muessen aber im Gesamtzusammenhang gesehen werden leichtgradige chronische Speicheldruesenentzuendungen auch bei anderen Krankheiten oder alleine fuer sich vorkommen koennen. Auch das Sjoegren Syndrom ist letztendlich ein Syndrom, d.h. wir kennen die Ursachen nicht, und es gibt ein sehr weites Spektrum bei Sjoegren (sehr milde - schwere Verlaufsformen).

2.Oder macht man dann später nochmals eine Biopsie? Nein. Ausser es aendert sich etwas grundlegend (qualitativ) an ihrem Krankheitsbild was dies rechtfertigen wuerde.

3.Kann sich der Befund verändern? (verschlimmern, verbessern?). Grundsaetzlich ja. Aufgrund ihrer bisherigen Krankengeschichte gehe ich von einem guenstigen/milden Krankheitsverlauf aus.

4.Wenn es doch eine chronische lymphozytäre Entzündung in den Speicheldrüsen Grad 2 ist, ist es doch nicht einfach ein Sicca-Syndrom, das ist doch mehr als ein Sicca-Syndrom?
Der Begriff Sicca-Syndrom hat keinen Bezug zu Biopsiedaten. Ein Sicca-Syndrom kann also "funktioneller" oder "organischer" (z.Bps. entzuendlicher) Natur sein. Der Begriff Sicca-Syndrom schliesst also eine entzuendliche Veraenderung der Speicheldruesen keinesfalls aus; Sicca Syndrom ist ja auch ein typischer Bestandteil eines Sjoegren Syndroms (aber nicht alle Patienten mit Sicca Syndrom haben ein Sjoegren).

5.Und dasselbe ist ja in der Schilddrüse (Hashimoto seit 1/2012) und in den Augen? Weshalb ist es nicht eine einzige Krankheit?
Das ist eine sehr gute Frage auf welche ich Ihnen wahrscheinlich keine definitve Antwort geben kann. Hashimoto ist assoziiert mit anderen autoimmunen Krankheiten von Druesen, z.Bsp. insulinabhaengiger Diabetes oder Sjoegren, kommt aber meist isoliert als Schilddruesenerkrankung vor. Bei allen Autoimmunkrankheiten liegt eine Stoerung der Regulation des Immunsystems vor, aber die genauen Zusammenhaenge und v.a. die Ursachen der verschiedenen Autoimmunsyndrome sind noch nicht entschluesselt. Es koennte also sein, dass eine uebergeordnete Regulationsstoerungsstoerung des Immunsystems sowohl ursaechlich an Ihrem Hashimoto wie auch an der Speicheldruesenentzuendung beteiligt ist; sicher ist aber auch, dass aber bei beiden Erkrankungen auch noch separate, zusaetzliche Faktoren eine Rolle spielen.

6.Genügen denn die Diagnosekriterien nicht für ein sekundäres Sjörgen-Syndrom?
Fuer die Diagnose gibt es keine validierten Kriterien, wohl aber fuer die Klassifikation! Das bedeutet: Erst wenn kein Zweifel daran besteht, dass ein Patient an einer Konnektivitis (Synonym: Kollagenose) leidet – die Familie der Konnektivitiden umfasst viele Krankheiten, u.a. auch das Sjoegren Syndrom – koennen Klassifikationskriterien hinzugezogen werde. Die Hashimoto Thyreoiditis ist zwar eine Autoimmunkrankheit, aber eine “organspezifische” und gehoert nicht zu den Konnektivitiden im eigentlichen Sinne. Hashimoto ist assoziiert mit dem “primaeren” Sjoegren Syndrom, bei welchem aber in der Regel Autoantikoerper (anti-Ro/anti-La) vorliegen. Apropos: CRP ist bei Sjoegren typischerweise normal, dafuer ist die BSR (Basale Senkungsreaktion) erhoeht.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Angaben etwas Klarheit verschaffen und erklaeren weshalb es nicht ganz einfach ist bei Ihnen eine eindeutige Diagnose zu stellen. Bei all den obigen Ueberlegungen gilt immer, dass die Wahl der Therapie im Ermessen des direct behandelnden Rheumatologen liegt – ich kann Ihnen deshalb keine spezifischen Empfehlungen – ausser natuerlich symptomatischen (wie z.Bps. Aldiamed Mundgel bei Mundtrockenheit) geben.

Mit freundlichen Gruessen
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Professor of Immunology & Consultant in Rheumatology, University Hospital Southampton,
Southampton, UK
Sarah
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Ich danke Ihnen

Beitrag von Sarah »

Sehr geehrter Herr Prof. Gadola

Ich weiss gar nicht, wie ich danken soll für diese ausführlichste Antwort Ihrerseits und die Mühe die Sie sich machten, meine Fragen zu beantworten.

Ich bin sehr froh mehr zu wissen. Den Focus weiss ich aber trotzdem nicht, aber ich glaube, er ist kleiner als eins.

Ich würde so gerne mich persönlich bei Ihnen bedanken und ich hoffe, Sie wissen, was Ihre Arbeit für uns Erkrankte bedeutet, nämlich nicht zuletzt auch ein Teil Lebenskraft.
Den Teil gehört und ernst genommen zu werden.
Dankbar aus der verregneten Schweiz-trotz Allem was schmerzt.
Sarah
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

Gern geschehen !
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Professor of Immunology & Consultant in Rheumatology, University Hospital Southampton,
Southampton, UK

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