Kollagenose?

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pooch79
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Kollagenose?

Beitrag von pooch79 »

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gadola

Ich verfolge Ihr Forum schon länger, konnte bereits einiges aus Ihren Beiträgen mitnehmen und möchte nun vom tollen Angebot, direkt mit Ihnen in Kontakt zu treten, profitieren:
Ich bin 34 Jahre alt und seit November 2005 nun dabei, meinen Beschwerden auf den Grund zu gehen. Obwohl ich mittlerweile zur Untersuchung in der Rheumaklinik des Universitätsspitals Zürich und in Behandlung bei einem Rheumaspezialisten bin, geht es nicht wirklich vorwärts.

Hier meine Krankheitsgeschichte:

Februar 2003:
• Refluxläsion, Kardiainsuffizienz, Reizdarm

November 2007:
• Durchgemachte EBV-Infektion (IgG)
• Plötzliche massive Beschwerden
• Anhaltende, subfebrile Temperaturen
• Starke Kopfschmerzen entlang des Okzipitalis-Nervs , rechts
• Blutdruckkrisen (Syst.: 213/Diast.: 133/Puls: 103)
• Ständiges, grippeähnliches Krankheitsgefühl, Erschöpfung, Schwäche, lange Erholungszeit nach Anstrenung
• Taubheitsgefühl im unteren Rücken

Ab Februar 2012 Erweiterung der Symptome und weitere Verschlechterung:
• Muskel- und Gelenkschmerzen in Füssen, Knien, Hüfte, Lenden, Schultern und Händen
• Anlaufschmerz (ca. eine halbe Stunde) in Füssen, Knien und Lenden
• Dysästhesien und Parästhesien in Armen und Beinen
• Photosensitivität an Dekolleté, Gesicht und Oberarmen, heliotropes Exanthem am Dekolleté
• Herzrasen, Herzrhytmusstörungen, Ohnmachtsgefühl
• Atemnot, Thoraxschmerzen
• Permanente Pulsgeräusche im rechten Ohr
• Augenschmerzen und Sehstörungen (Augenzittern, Flecken, Blitze, Sehverlust auf einem Auge für ca. 1 Minute)
• Ständiger Durst
• Irritierte Verdauung
• Kognitive Einschränkungen
• Nach wie vor massive Erschöpfung, konstante subfebrile Temperaturen und starke Kopfschmerzen
• Gewichtszunahme

Blutwerte und Untersuchungen:
Dez. 2008:
• ANA 1:320 (Norm <1.80)
Okt. 2009:
• Kreatinin 6.3 (Norm 12.6 – 53.8)
• Homocystein 14 (Norm 6 – 12)
Jan. 2010:
• ANA 1:80 (Norm <1:10)
Nov. 2012:
• Immunglobuline IgM 3.6 (Norm 0.4 – 2.3)
• ANA 1:160 (Norm <1.10)
• Anti-native DNA 28 (Norm <20)
• ALT (GPT) 44 (Norm <37)
Dez. 2012
• Scl-70 228 (Norm <100)
• Phosphat anorganisch 1.55 (Norm 0.87 – 1.45)
• Borrelien IgM schwach positiv (gilt laut Ärzten als unwahrscheinlich)
Feb. 13
• ANA 1:80 (Norm <1:10)
• Sicca-Symptomatik positiv
• Kapillarmikroskopie war nicht auswertbar
• CO-Diffusion Lunge 76% (Norm >80%)
• Nieren: unauffällig
• Schilddrüsen: 2 echofreie Läsionen und 1 Zyste, Gesamtvolumen 10.7ml
• Negativ: BSR, CRP, RF, C3, C4, anti-CCP, anti-U1-RPN, ANCA, anti-Sm, anti-RNA-Pol-lll, Scl-70
• Röntgenbild Thorax und Füsse unauffällig

Medikamente:
Adartrel, 1mg (seit Nov. 2012)
Plaquenil, 400mg (seit April 2013)
Prednison, 10mg (Mai – Juni 2013)


Die Parästhesien sind unter Adartrel besser geworden, die Muskel- und Gelenkschmerzen haben sich unter Plaquenil und Cortison allmählich verringert. Die massive Erschöpfung sowie die subfebrilen Temperaturen bleiben unverändert.

Die Rheumatologen haben Verdacht auf eine undifferenzierte Kollagenose, möchten mir aber am liebsten eine Fibromyalgie oder ein Chronic Fatique Syndrom diagnostizieren. Angesichts der Blutwerte, Symptome und Beteiligung von Lunge und Magen-Darm-Trakt denke ich eher an eine Kollagenose. Ich fühle mich von den Ärzten nicht richtig ernst genommen und wünsche mir endlich Klarheit und umfassende, seriös durchgeführte Untersuchungen.
Wie werten Sie meine Krankengeschichte? Können Sie mir einen kompetenten, empathischen, geduldigen Arzt in der Schweiz (evtl. Raum Zürich) empfehlen, der am Ball bleibt und die Sache ernst nimmt?

Bitte entschuldigen Sie den vielen Text...ich wollte Ihnen für Ihre Beurteilung möglichst viele Infos liefern.

Ich bedanke mich schon im Voraus herzlich für Ihre Antwort!
Simone
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Simone,

Vielen Dank für die ausführliche Beschreibunb Ihrer Krankengeschichte.
Ich verstehe, dass es für Sie schwierig ist ohne klare Diagnose mit der Vielzahl Ihrer Symptome zu leben. Am meisten beunruhigt hat mich an Ihrer Geschichte die ausserordentlich hohen Blutdruckwerte 2007 - sind diese mittlerweile im Griff?
Bezueglich der anderen Symptome und dem zeitlichen Verlauf ist es ermutigend, dass offenbar keine objektivierbaren Organschaeden aufgetreten sind, und dass sich trotz mehrjaehriger Beschwerden kein beunruhigendes Autoantikoerperprofil nachweisen laesst - dies spricht eigentlich alles eher gegen eine Kollagenose. Einschraenkend muss ich aber sofort hinzufuegen, dass es mir bei einer solch komplexen Symptomatik leider nicht möglich ist "aus der Ferne" ein sichere Aussage zu machen - meine obigen Kommentare sind deshalb eher genereller Natur.
Auch die normale BSR und der fehlende Rheumafaktor, sowie die unauffaelligen Complementwerte (C3, C4) und das offensichtliche Fehlen einer deutlichen Vermehrung von IgG (nicht erwaehnt, nehme ich deshalb an) sind beruhigende Zeichen, welche alle eher gegen eine Kollagenose sprechen.
Ich bin sicher, dass es im Raum Zürich für Sie geeignete Rheumatologen gibt, kann Ihnen aber leider nicht mit Namen weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen baldige Klarheit über Ihr Leiden.

mit freundlichen Grüssen

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
FMH Innere Medizin, FMH Rheumatologie
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Professor of Immunology & Consultant in Rheumatology, University Hospital Southampton,
Southampton, UK
pooch79
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Beitrag von pooch79 »

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gadola

Vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort. Ich bin froh über Ihre objektive Meinung.
Natürlich wäre es mir sehr recht, wenn es keine Kollagenose ist. Die Ärzte meinen, dass es evtl. eine Kollagenose im Frühstadium sein könnte und sich deshalb noch keine klaren Werte zeigen. Die komplexe Symptomatik bringt mich halt fast zum Verzweifeln und macht mich ungeduldig. Gerne würde man den Beschwerden doch einen Namen geben können.

Die Blutdruckwerte haben sich inzwischen wieder normalisiert, zum Glück. Damals kamen diese Blutdruckkrisen regelmässig, etwa 1-2 Jahre lang. Mir konnte aber niemand sagen, was das war.

Darf ich fragen, welche IgG Sie meinen? In letzter Zeit wurden nur EBV und Borreliose (schwach positiv) getestet. A propos: könnten meine Beschwerden mit Borreliose zu tun haben?

Vielen Dank nochmals und beste Grüsse
Simone
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

sehr geehrte Simone,

IgG sind eine Klasse von Immunglobulinen (Ig). Ausser IgG gibt es noch IgA, IgM, IgD und IgE. Bei chronisch-aktiven Kollagenosen wie z.Bsp. dem Sjoegren Syndrom findet sich im Blut typischerweise eine relevante Erhoehung der IgG (sogenannte "polyklonale Hypergammaglobulinaemie).

Zur Borreliose: Nein, Ihre Beschwerden passen nicht zu einer Borreliose.

mit freundlichen Grüssen


Prof.Dr.med. Stephan Gadola
pooch79
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Beitrag von pooch79 »

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gadola

Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe, auch kenne ich mich nicht so gut mit Blutwerten aus. Mir ist bekannt, dass IgG bei Infektionen und Autoimmunerkrankungen angewendet werden. Dies aber spezifisch auf eine jeweilige Krankheit (wie etwa EBV, HIV, SLE), stimmt das?

Wenn das stimmt waren bisher folgende Werte positiv:
Eppstein-Barr: 1900 (Referenzbereich: <150)
Systemischer Lupus, SLE: 28 (Referenzbereich: <20)
Sklerodermie, Scl-70: 228 (Referenzbereich: <100)

Haben Sie denn eine Idee, welche Krankheit bei mir vorherrschen könnte?

Erneut vielen Dank im Voraus für Ihr Feedback!
Beste Grüsse
Simone
Stephan Gadola
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Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Simone,

Sorry für die späte Antwort - Ich wurde erst heute auf ihre erneute Anfrage aufmerksam.

Im Februar 2013 waren die anti-SCL70 Werte normalisiert und die ANA Werte mit 1:80 ebenfalls normal, ebenso andere ENA Antikörper und die Complement Werte. All dies spricht gegen eine Kollagenose. Leider war die Kapillarmikroskopie nicht verwertbar. Diese könnte allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden (es wäre dann wichtig, dass für ca. 4-6 Wochen keine Maniküre durchgeführt wird, da sonst die Nagelfalzkapillaren nicht beurteilt werden können).

Die anti-EBV Antikörper sprechen für eine durchgemachte Epstein-Barr Virus Infektion. Eine solche ist sehr häufig. Interessanterweise wird EBV immer wieder als mögliche Mitursache eines Chronic Fatigue Syndroms diskutiert, aber aufgrund der weiten Verbreitung in der Bevölkerung und der fehlenden spezifischen Tests für diese Erkrankung ist der diagnostische Wert sehr ungewiss.

Ich hoffen Ihnen mit diesen Angaben behilflich gewesen zu sein.

mit freundlichen Grüssen

Prof.Dr.med. Stephan Gadola

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