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Fragen zur Diagnose Sjögren

Verfasst: 08.05.2017 13:26
von Sophie
Sehr geehrter Herr Professor Gadola,
vielen herzlichen Dank, dass Sie sich im Rahmen dieses Forums für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung stellen. Ich habe das Forum bereits durchstöbert und möchte Sie nun um eine Einschätzung und Rat in meinem Fall bitten.
Ich bin weiblich und 48 Jahre. Nehme keine Medikamente.
Vor 3 (Anfang Februar 2017) Monaten trat plötzlich extreme Mundtrockenheit, insbesondere nachts auf, die bis heute andauert. Auch Schlafstörungen kamen dazu. Ich fühlte mich krank, hatte aber kein Fieber oder dergleichen. Starke Blutdruckschwankungen kamen dazu. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
Dann begannen auch die Augen zu brennen und ich musste Augentropfen mehrmals täglich verwenden.
Nachdem der Internist nichts finden konnte (alle Blutwerte waren in Ordnung), stellte ich mich beim Rheumatologen vor.
Blutwerte: (28.03.17)
Kompl.F-C3 mg/dl 101
Kompl.F.-C4 mg/dl 15,6-
ANA negativ
SS-A RO negativ
SS-B LA negativ
SCL-70 negativ
IgG 4 mit 30,7 mg/dl im Referenzbereich
BSG 4/6; CRP< 0,2mg/l

Der Rheumatologe veranlasste daraufhin ein MRT, der Befund lautet wie folgt: (11.04.17)
„Unauffällige Glandula parotis ohne die für ein Sjögren-Syndrom typischen kleinzystischen Veränderungen bzw. Gangerweiterungen. Die Glandula submandibularis beidseits ebenfalls homgen signalgebend ohne zystische Veränderungen, dafür jedoch mit etwas betonten Ausführungsgängen. Relativ kräftige Glandula sblingualis und lacrimalis beidseits. Somit zwar kein für ein Sjögren-Syndrom beweisender Befund, jedoch die etwas betonten Gänge der Glandula Submandibularis und die etwas kräftige Darstellung der Glandula sublingualis und lacriminalis sind zumindest mit einem Sjögren-Syndrom vereinbar.“

Derzeit habe ich neben der weiter bestehenden Mund- und Augentrockenheit , bisweilen starke Schmerzen in der Gegend der Ohrspeicheldrüse eher rechts und wiederkehrende Schmerzen in den Kniegelenken.

Leider konnte ich erst für den Juli einen Termin bei einem erfahrenen HNO-Arzt vereinbaren.
Meine Fragen:

1. Empfehlen Sie zur weiteren Abklärung eine Lippenbiopsie?
2. Sollte sich das Sjögrensyndrom als Diagnose sichern lassen, gibt es Medikamente, die im Anfangsstadium eingesetzt werden können?
3. Gibt es weitere Blutwerte, die die Diagnose Sjögren untermauern könnten?
4. Können die Antiköper bei längerer Krankheitsdauer positiv werden?
5. Wie häufig wird ein primäres Sjögren-Syndrom bei negativen Antikörpern über eine Biopsie der Speicheldrüsen bestätigt?
6. Welche Blutwerte zeigen beim Sjögren die Krankheitsaktivität an?

Ich möchte mich vorab schon ganz herzlich bei Ihnen bedanken!
Viele Grüße
Sophie

Re: Fragen zur Diagnose Sjögren

Verfasst: 09.05.2017 11:56
von Stephan Gadola
Sehr geehrte Sophie,

Da bei Ihnen die Symptome erst seit kurzer Zeit bestehen, kann es sein, dass sonst typische diagnostische Zeichen (Antikörper) noch nicht vorhanden sind. Wir wissen leider noch viel zu wenig über die Anfangsstadien der Erkrankung.

Folgende Laborwerte sollten ergänzt werden, falls nicht gemacht: Serumelektrophorese (Hyper-gamma-globulinämie?), TSH (Schilddrüse), Vitamin D3.

Von einer Lippenbiopsie im gegenwärtigen Stadium rate ich ab. Dafür soll der HNO Arzt im Juli eine Ultraschalluntersuchung der Parotiden/Ohrspeicheldrüsen durchführen. Bei verdächtigem Befund kann dann gleichzeitig eine ultraschallgesteuerte Nadelbiopsie durchgeführt werden (spezifischer/relevanter, keine/weniger Nebenwirkungen als Lippenbiopsie).

Therapeutisch könnte ein befristeter Versuch mit Prednison (Cortison) durchgeführt werden (z.bsp. 20mg pro Tag für 5 Tage, bei Fehlen eines eindeutigen positiven Effekts STOP, sonst Abbau auf 5mg/Tag innerhalb 3 Monate). Ich habe Patientinnen, welche auf diese Behandlung in frühen Stadien gut angesprochen haben.

Ich wünsche Ihnen gute Besserung!

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allschwil

Re: Fragen zur Diagnose Sjögren

Verfasst: 09.05.2017 14:40
von Sophie
Sehr geehrter Herr Professor Gadola,

vielen Dank für Ihre schnelle Antwort!
Ich möchte noch die anderen Blutwerte nachreichen:
TSH 1,78
Elekrtophorese: alle Werte im Referenzbereich
Vitamin D3 erniedrigt, ich nehme aber jetzt 2x pro Woche Dekristol 20.000i.E
Nachfolgend nur Werte, die nicht im Referenzbereich liegen.
Hb/Ery pg/Zelle 35,3
MCV 101,1
Neutrophile % 75,9
Lassen sich aus diesen Blutwerten noch weitere Erkenntnisse gewinnen?

Sollte es sich wirklich um Sjögren handeln, kann dann das Prednison die Krankheit verzögern oder ändert sich damit „nur“ (was schon eine tolle Sache wäre!) mein Krankheitsempfinden?
Ich habe gelesen, dass Rituximab eine Möglichkeit wäre (bitte entschuldigen Sie, wenn ich das falsch verstanden habe), die Krankheit im Anfangsstadium zu behandeln.
Können Sie mir genaueres dazu sagen?
Welches universitäre Zentrum im Südost-deutschen Raum können Sie mir empfehlen?

Recht herzlichen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen meine Fragen zu beantworten.

Beste Grüße
Sophie

Re: Fragen zur Diagnose Sjögren

Verfasst: 10.05.2017 09:13
von Stephan Gadola
Sehr geehrte Sophie

Danke für die nachgereichten Blutwerte. Ich nehme an die Veränderungen des roten Blutbildes wurden weiter abgeklärt (Folsäure, Vitamin B12; TSH ist ja normal)?
Prednison ist keine geeignete Langzeitherapie für Sjögren Syndrom, und ich benutze es auch äusserst selten, nur in "akuten" Fällen (Frühstadium) wie bei Ihnen, und nur versuchsweise, d.h. kurzer Therapieversuch um Wirkung einzuschätzen. Falls Prednison (welches rasch wirksam ist, im Falle, dass es wirkt) einen eindeutigen positiven Effekt hat, dann eröffnet das auch die Möglichkeit einer Krankheits-modulierenden Therapie mit einem anderen Medikament (um Cortison/Prednison einzusparen).
Rituximab ist für Sjögren nicht zugelassen, und hier kann ein Arzt auch nicht einfach einen kurzfristigen Therapieversuch (wie bei Prednison möglich) unternehmen. Ob Rituximab im Frühstadium bei Sjögren wirkt ist unbekannt. In sehr frühen Stadien von Sjögren Syndrom sind die durch Rituximab behandelten Zellen (sogenannte B-Zellen) nur sehr spärlich oder gar nicht in den betroffenen Geweben (Speicheldrüsen) vorhanden. Ausserdem wirkt Rituximab nicht auf die Trockenheitssymptome; es wirkt v.a. auf die Müdigkeit.

Universitäre Zentren im Südost-deutschen Raum kenne ich nur begrenzt (München).

Ich wünschen Ihnen Alles Gute

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allschwil