Sjögren?

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lin
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Sjögren?

Beitrag von lin »

Sehr geehrter Herr Professor Gadola,

ich wende mich an sie da ich mittlerweile sehr verunsichert bin und gerne von ihnen eine Meinung erhalten will bezüglich der Wahrscheinlichkeit, dass es sichbei mir tatsächlich um das Sjögren Syndrom handelt.


Mit 25 Jahren (vor genau 2 Jahren) trat bei mir Mundtrockenheit und trockene Lippen auf (relativ schnell, innerhalb einer Woche) und ist seitdem nicht mehr weggegangen, sondern tendenziell schlimmer geworden. Ich leide zunehmend auch an trockenen Augen (die Augen habe ich aber erst später bemerkt bzw. es für „normal“ gehalten, dass die Augen viel brennen).

Ansonsten leide ich unter zunehmend trockeneren Haut, ein Lymphknoten ist häufig am rechten Halsbereihc geschwollen. Gelenkbeschwerden habe ich selten (ab und an mal Kniebeschwerden oder Sehnenscheidentzündung nach Belastung, aber nicht auffällig oft). Außerdem habe ich seit etwa zehn Jahren noch Rosacea, die sich in den vergangen Jahren aber deutlich gebessert hat.

Nachdem praktisch alle anderen Ursachen ausgeschlossen wurden (Vitaminmangel, psychosomatisch, etc.) bin ich zum HNO Arzt und zum Rheumatologen. Folgende Werte sind bei mir auffällig geworden über die vergangenen Jahre:

HNO Ambulanz Charite (2016): Ana titer 1:160
Hausärztin (Juni 2017): Ferritin von 171
Rheumatologe (Juli 2017): Ana titer 1:200, Ultraschalluntersuchung der Speicheldrüsen unauffällig
Augenarzt (September 2017) positiver Schirmertest und Hornhautentzündung
Rheumatologische Ambulanz Charite ( Oktober 2017): c3 komplement 780/L (Referenzwert: 900-1800mg/l), c4 bei 130 (also noch im Normbereich?), Ana titer diesmal unauffällig (wie kann das sein?)

außerdem Speicheldrüsenbiopsie: gering fibrosiert, ansonsten entzündungsfrei

die anderen Werte sind soweit alle negativ (Vitamin D3 bei ca. 83nmol)

Ich bin nach mehr als 2 Jahren Beschwerden und einem Ärztemarathon emotional erschöpft und würde gerne wissen, wie sicher ich damit rechnen muss tatsächlich Sjögren zu haben.
Die Ärzte sind sich uneinig. Die einen sind der Meinung es sei sehr wahrscheinlich, die anderen denken es seien nicht weiter ernstzunehmend, bzw. es sei egal, da man eh nichts geben würde gegen die Symptome. Auch wenn man möglicherweise zu so einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung eh nur symptomatisch behandelt (was ich ja schon tue), wäre es für mich auch psychologisch sehr wichtig zu wissen, ob ich diese Erkrankung habe.

Meine Fragen an Sie sind nun:
1. Für wie wahrscheinlich halten sie es, dass ich Sjögren habe?

2. Warum unterliegen die Werte (ANA titer, c3 Komplement) Schwankungen so dass sie innerhalb weniger Wochen einmal positiv werden und dann wieder nicht? Bedeutet das, dass die Krankheit noch ganz am Anfang steht und die Werte deswegen so fluktuieren bzw. nur wenige positiv sind?

3. Bezüglich der Biopsie: was bedeutet „fibrosiert“ in Bezug auf die Speicheldrüse? Heißt es, dort hat es eine Entzündung gegeben die aktuell nicht aktiv ist? Oder ist das etwas ganz normales? Ist Firbose nicht eine Art Verhärtung/Narbengewebe? wenn die Biopsie ansonsten aber negativ ist, bedeutet dies dann dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Sjögren habe oder nur, dass aktuell kein Schub vorliegt bzw die Krankheit am Anfang steht?

4. Ich hätte im Dezember die Möglichkeit eine Ohrspeicheldrüsenbiopsie zu machen, habe aber große Angst vor Komplikationen (Gesichtsnerv etc.) und würde diese lieber absagen, falls sie keinen deutlichen Erkenntniszuwachs in meinem Fall bringt (vor allem da ich ja schon eine Biopsie der Lippe hatte).

Ich hoffe, ich habe mich soweit verständlich ausgedrückt und danke Ihnen schon im Voraus für Ihre Antwort und auch Ihre Arbeit hier im Forum.

Mit freundlichen Grüßen,
lin
Stephan Gadola
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Re: Sjögren?

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Lin,

Danke für Ihre Anfrage und die ausführlichen Angaben zu Ihren Beschwerden.
Meine Antworten zu Ihren Fragen:

1. Für wie wahrscheinlich halten sie es, dass ich Sjögren habe?
Es besteht kein Zweifel, dass Sie ein relevantes Sicca-Syndrom haben, sogar mit Komplikationen am Auge. Ob es sich um ein primäres Sjögren Syndrom handelt, was durchaus möglich ist, fehlen noch folgende Angaben zu hierfür wichtigen Laborwerten:
- Anti-SSA Antikörper
- Anti-SSB Antikörper
- Rheumafaktor
- Immunglobuline (IgG)

Es könnte sich auch um ein sekundäres Sjögren Syndrom handeln, im Rahmen einer anderen entzündlichen Erkrankung. Ein möglicher Hinweis hierfür ist das verminderte C3 Complement.
Folgende Laboruntersuchungen würden hier helfen:
- IgG4
- anti-dsDNS Antikörper (= anti-dsDNA Antikörper)

Ausserdem käme eine chronische EBV oder CMV (oder Hepatitis C, oder HIV) Infektion in Frage. Auch hier können sekundär die C3 und ANA Werte schwanken.

2. Warum unterliegen die Werte (ANA titer, c3 Komplement) Schwankungen..?
- Das ist häufig. Allerdings ist ihr ANA Wert auch an der Schwelle zur klinischen Relevanz. Die meisten Rheumatologen ignorieren einen ANA Wert unter 1:320, falls keine anderen Auto-Antikörper vorliegen.

3. Was bedeutet „fibrosiert“
- Bindegewebig umgewandelt. In ihrem Falle aber nur leicht fibrosiert. Es könnte ein Hinweis auf eine abgelaufene Entzündung sein. Wie oben bereits erwähnt würde ich weitere Laborwerte empfehlen:
- IgG4, EBV/CMV/HIV (bei Risiko)/HCV (bei Risiko) Serologie

4. Ohrspeicheldrüsenbiopsie
- Bei komplett unauffälliger Sonographie (Ultraschall) von Ohrspeicheldrüsen (Parotiden) und Submandibulardrüsen wäre ich mit einer Biopsie zurückhaltend.
- Die besten Aussichten auf ein relevantes Resultat bestehen dann, wenn im Ultraschall eine Entzündung (resp. ein verändertes Schallbild im Sinne einer möglichen Sjögren Erkrankung) festgestellt werden kann. In diesem Falle würde ich dann empfehlen, dass ein erfahrener HNO Arzt - normalerweise der Arzt der auch den Ultraschall macht, unter Ultraschallkontrolle eine Nadelbiopsie (keine offene Biopsie) durchführt. Den Gesichtsnerven kann man im Ultraschall gut darstellen, sodass die Gefahr einer Verletzung des Nerven unter Ultraschallkontrolle mit einer Nadelbiopsie praktisch =0 ist.

Ich hoffen Ihnen mit diesen Angaben geholfen zu haben.

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allsdchwil
Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Professor of Immunology & Consultant in Rheumatology, University Hospital Southampton,
Southampton, UK
lin
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Re: Sjögren?

Beitrag von lin »

Sehr geehrter Herr Professor Gadola,

Erst einmal vielen Dank für Ihre schnelle Antwort!
Die folgenden Werte ergaben sich für die von Ihnen genannten Parameter bei der aktuellen Untersuchung im Oktober 2017:
- Anti-SSA Antikörper: negativ
- Anti-SSB Antikörper: negativ
- Rheumafaktor IgM: 11.7 (Norm: <20)
- Rheumafaktor IgA: 5.5 (Norm: <20)
- Immunglobin G: 13.97 (Norm: 7-16g/l)
-Immunglobin A: 1.80 (Norm: 0.7-4g/l)
-Immunglobin M: 1.34 (Norm: 0.4-2.3g/l)

was IgG4 ist, weiß ich leider nicht, bzw. kann es nicht finden auf den Befundzetteln..

Bezüglich der sogenannten anti-dsDNA Antikörper/ELISA: 8.6 (Norm:<20)


Sie schreiben, dass auch eine chronische EBV oder CMV (oder Hepatitis C, oder HIV) Infektion in Frage käme- würden sich denn dann auch Symptome wie Mundtrockenheit und Augentrockenheit zeigen?
Ich kann mich allerdings nicht erinnern, jemals Herpes oder das Drüsenfieber gehabt zu haben.

Was mir allerdings gerade dazu einfällt, ist, dass 2016 bei einer durchgeführten Infektionsserologie sowohl Yersinien IgG Antikörper mit 11.6 (Norm: <9) positiv ausfielen als auch Chlamydien IgG Antikörper positiv waren mit 1:207 (Norm: <1:100).
Allerdings stand auf dem Befund, dass sich im Immunoblot eine Yersinieninfektion nicht bestätigen ließ und die Chlamydien IgG Antikörper (bei gleichzeitigen negativen Chlamydien IgA und IgM Antikörpern) lediglich für eine bereits durchgemachte Infektion sprechen würden.
Ich habe das alles nicht weiter verfolgt, da ich auch meine Symptome der Mundtrockenheit und Augentrockenheit damit nicht in Verbindung bringen konnte.

Würde es denn etwas ändern, wenn das Sjögren Symptom sekundär durch eine andere Infektion hervorgerufen wäre? Z.B. durch die Chlamydieninfektion? Oder ist es so oder so unheilbar?

Ist das C3 denn sehr niedrig oder handelt es sich ähnlich wie bei den ANA Titer um nur einen geringfügig erniedrigten Wert?

Bezüglich der Fibrosierung: heißt es, dass also evtl, schon ein Schub vorhanden war? Oder ist das etwas normales bzw. kommt mit zunehmendem Alter?

Entschuldigen Sie meine weiteren Fragen. Ich hoffe, ich machen Ihnen keine Umstände.

Vielen Dank,

lin
Stephan Gadola
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Re: Sjögren?

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Lin,

Die Laborwerte unterstützen die Diagnose "primäres Sjögren Syndrom" NICHT.
In diesem Zusammenhang ist die normale Ultraschalluntersuchung noch gewichtiger.
Die Fibrosierung (leicht) war ja ein Befund der Lippenbiopsie - korrekt? - in diesem Falle nicht relevant für die grossen Speicheldrüsen (Ohr-SD).

Es besteht auf jeden Fall ein relevantes Sicca-Syndrom (Trockenheit). Neben der Diagnose Sjögren Syndrom kommen Infektionen (viral - die genannten), Medikamente, oder seltene Erkrankungen (Sarkoidose), IgG4 Erkrankung in Frage. Die beiden letzteren wären ungewöhnlich, und eigentlich müsste man da etwas im Ultraschall der Ohrspeicheldrüsen und Submandibulardrüsen sehen. Bei Verdacht auf Sarkoidose hilft auch ein Lungenröntgenbild - falls dies normal ist, kann die Diagnose praktisch ausgeschlossen werden.

Die Bedeutung der leicht positiven Chlamydien- und Yersinienserologie ist ungewiss - nicht sehr wahrscheinlich als Ursache für Ihre Sicca Symptome.

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allschwil
lin
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Re: Sjögren?

Beitrag von lin »

Sehr geehrter Herr Professor Gadola,

Vielen Dank für Ihre schnelle Antwort.

Natürlich ist es beruhigend, wenn Sie die Wahrscheinlichkeit für ein primäres Sjögren Syndrom als gering einschätzen. Zugleich frage ich mich dann natürlich, wie ich der wahren Ursache auf die Spur kommen kann.

Zunächst einmal meine Frage: Sind die Laborwerte bei Erkrankungsbeginn des Sjögren nicht häufig unauffällig? Meine größte Angst ist, dass ich am Anfang einer Erkrankung stehe, die sich in den Laborwerten und Ultraschall erst in den kommenden Jahren so richtig zeigt. Oder dürfte dann die Sicca-Symptomatik gar nicht so ausgeprägt sein, wenn der Ultraschall und die Werte noch relativ unauffällig sind?

Meine weitere Frage ist: an welchen Arzt muss ich mich wenden bezüglich der Abklärung einer viralen Ursache? Ist hierfür auch der Rheumatologe zuständig? Bislang habe ich nämlich noch von keinem der Ärzte etwas über eine mögliche Virusinfektion als Ursache gehört...

Ansonsten habe ich keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.

Lin
Stephan Gadola
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Re: Sjögren?

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Lin,

Ob die Laborwerte bei Erkrankungsbeginn eines primären Sjögren Syndrom's unauffällig können?
- einige schon, z.Bsp. die Immunglobuline (können aber bereits erhöht sein)
- Ob die Auto-Antikörper erst später hinzukommen ist nicht eindeutig klar. Jedoch sind Auto-Antikörper oft jahrelang vor klinischer Manifestation einer Autoimmunerkrankung nachweisbar
- Ob der Ultraschallbefund der Ohrspeicheldrüse bei Krankheitsbeginn (im Falle, dass "nur" Sicca und keine Schwellung vorliegt) normal sein kann ist ebenfalls wenig erforscht.

Zum Gegenwärtigen Zeitpunkt sind keine effektiven Medikamente für die Behandlung eines Sjögren Syndroms verfügbar - ausser den rein symptomatischen Augentropfen/-gel und Mundgels/-spray.

Die Abklärung einer viralen Ursache hat im Falle von EBV und CMV keine therapeutische Konsequenzen, aber bei Hepatitis C und HIV?
Diese Abklärungen können auch vom Internisten oder Hausarzt durchgeführt und dem Rheumatologen mitgeteilt werden.

Freundliche Grüsse

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Gesundheitszentrum Allschwil

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