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Ich brauche eine Diagnose!

Verfasst: 12.03.2014 18:55
von LisaS
Sehr geehrter Herr Professor Gadola

Seit 7 Jahren wurde alles versucht, meine Hashimoto-Thyreoiditis-Beschwerden durch Hormon-Substitution in den Griff zu bekommen, aber leider gelingt es nicht. Nun wird eine Schilddrüsen-Total-Operation diskutiert.
Selbstverständlich will ich, bevor ich konkreter darüber nachdenke, alle anderen möglichen Ursachen meiner Beschwerden ausschliessen, so auch ein Sjögren-Syndrom (sehr vieles würde da nämlich passen).

Deshalb habe ich folgende Fragen an Sie:

1. Kombination von Hashimoto und Sjögren: handelt es sich da um ein sekundäres Sjögren-Syndrom?
2. bei sekundärem Sjögren-Syndrom: welcher Test bezüglich Speichelproduktion ist am einfachsten durchführbar und aussagekräftig für eine Diagnose?
3. Ist jeder HNO-Arzt in der Lage, eine Lippenbiopsie durchzuführen?

Bereits jetzt herzlichen Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Lisa

Verfasst: 14.03.2014 18:21
von Stephan Gadola
sehr geehrte Lisa,

Hashimoto und primäres Sjögren Syndrom können tatsächlich (und sogar gehäuft) gemeinsam auftreten - falls bei Ihnen die Diagnose Sjögren Syndrom einwandfrei gestellt wurde dann handelt es sich um ein primäres Sjögren Syndrom mit assoziierter Hashimoto Thyreoiditis.

Bezgl. Speichelproduktion: Der einfachste Test ist das Messen des unstimulierten Speichelflusses, z.Bsp. durch Messen der Total Speichelmenge die während einer Dauer von 15min. in einen Messbehälter ausgespukt werden kann. Die Totale Menge geteilt durch 15 gibt dann den Speichelfluss/min (in milliliter). Bei Sjögren Syndrom ist er normalerweise klar unter 0.1ml/min. Der stimulierte Speichelfluss kann mit Hilfe von Paraffin-Kaugummi (Kauen provoziert Speichelfluss) gemessen werden und sollte klar höher sein (> 0.15ml/min.)

Im Prinzip sollte jeder HNO Arzt das können, aber falls eine Biopsie wirklich nötig ist könnte anstelle einer Lippenbiopsie auch eine Ohrspeicheldrüsen-Nadelbiopsie erwogen werden - diese kann unter Ultraschalllkontrolle ambulant durchgeführt werden, aber nur durch diesbezgl. geschulte HNO Aerzte, z.B. durch Herrn PD Dr. Marcel Kraft am Kantonsspital Baselland (in Liestal). Die diagnostische Sicherheit einer Ohrspeicheldrüsen-Nadelbiopsie ist klar besser und der Eingriff ist, vom Spezialisten durchgeführt, oft angenehmer als eine Lippenbiopsie.

mit freundlichen Grüssen

Prof. Stephan Gadola

Verfasst: 15.03.2014 16:02
von LisaS
Sehr geehrter Herr Professor Gadola
Vielen Dank für Ihre rasche Antwort.

Mein Problem besteht eben leider darin, dass ich noch keine Sjögren-Diagnose habe (ANA und ENA negativ, damit war für den Rheumatologen das Thema Sjögren erledigt, die Symptome interessierten ihn überhaupt nicht!).
Ich überlege nun, welches der geeignetste Weg (auch in Bezug auf Kosten/Nutzen) ist, die laut Kriterienkatalog geforderten Tests zu absolvieren. Leider ist die Hausärztin zwar wohl der Meinung, man müsse alles abklären, aber sie wird nicht selber aktiv.

Dass Sie wegen der Kombination mit Hashimoto ausschliesslich ein primäres Sjögren vermuten, irritiert mich etwas, da ich bei meiner Recherche von Fachärzten und z.B. auch von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. gelesen habe, dass eine Kombination Hashimoto auch mit einem sekundären Sjögren-Syndrom einhergehen könne*, und in diesem Falle die Antikörper meist fehlen, was ja bei mir zutreffen würde.
*Zitat: „Das Sjögren-Syndrom kann primär (primäres Sjögren-Syndrom) oder in Verbindung mit anderen Autoimmunerkrankungen (sekundäres Sjögren-Syndrom) auftreten. Die Assoziation folgender Autoimmunerkrankungen mit einem sekundären Sjögren-Syndrom ist möglich: rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, systemische Sklerose, „mixed connective tissue disease“, primäre biliäre Zirrhose, Polymyositis, Vaskulitis, Thyreoiditis, chronische aktive Hepatitis, gemischte Kryoglobulinämie.“
Bitte entschuldigen Sie, ich zweifle Ihre Aussagen nicht an, aber ich habe festgestellt, dass sowohl bei den Betroffenen als auch in Fachkreisen teilweise verschiedene Ansichten bestehen...

Der Schirmer-Test im Februar war positiv (3 mm/5 Minuten). Als nächstes plane ich, die Zahnärztin zu bitten, einen Speichelfluss-Test nach Ihren Angaben zu machen. Wenn dieser ebenfalls pathologisch ausfällt, würde ich versuchen, die von Ihnen angesprochene Ohrspeicheldrüsen-Nadelbiopsie durchführen zu lassen.
Aber wahrscheinlich wäre vorher eine Zweitmeinung eines Rheumatologen sinnvoller (ev. Dr. Jürg Bernhard an meinem Wohnort Solothurn oder Dr. H.R. Ziswiler in Bern, beide empfohlen hier vom Forum)? Es ist nur zu hoffen, dass ich selber einen Termin machen könnte.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – ich hoffe, ich habe Sie nicht überstrapaziert!

Freundliche Grüsse
Lisa

Verfasst: 16.03.2014 11:04
von Stephan Gadola
sehr geehrte Lisa
bei Schilddrüsenfunktionsstörungen, unabhängig von der spezifischen Ursache, können (funktionelle) Trockenheitssymptome auftreten, welche von einem Sicca Syndrom bei Sjögren Syndrom klinisch nicht einfach (manchmal auch gar nicht) unterscheidbar sind. Deshalb gilt: Sicca (Trockenheitssymptome) sind nicht automatisch gleichbedeutend mit Sjögren Syndrom, sondern lediglich (wichtiger, aber nicht beweisender) möglicher Bestandteil der Erkrankung. Leider gibt es bei der Nomenklatur immer wieder Verwirrung - senden Sie mir doch bitte die Quelle welche Sie erwähnt haben (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) - Ich treffe mich nächste Woche mit einem der früheren Präsidenten der Gesellschaft und würde dies evt mit ihm besprechen.

mit freundlichen Grüssen

Prof Dr.med. Stephan Gadola

Verfasst: 17.03.2014 15:00
von LisaS
Sehr geehrter Herr Professor Gadola
Für Ihre Antwort danke ich vielmals.

Ich weiss, dass Sicca-Symptomatik nicht automatisch Sjögren-Syndrom bedeutet. Aber ich habe eben ausser den Trockenheits- auch andere Symptome, welche bei Sjögren vorkommen. Z.B. sehr häufig Schmerzen in Unterkieferdrüsen, Zungenbrennen und „angegriffene“ Mundschleimhaut, dauernde grosse Müdigkeit mit anfallsweisen Erschöpfungszuständen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Neuropathien (Kribbeln, Brennen), ab und zu Weisswerden von Fingern und Zehen.

Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen sind natürlich auch Symptome der Immunerkrankung von Hashimoto. Deshalb wäre es für mich ja so wichtig, Sjögren zu diagnostizieren oder ausschliessen zu können (im Hinblick einer Entscheidung für oder gegen einen Schilddrüsen-OP).

Gerne gebe ich Ihnen die Quelle des zitierten Textes an: Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.: „Qualitätssicherung in der Rheumatologie“, Januar 2008; 3 Diagnostische Kriterien; 3.10 Sjögren-Syndrom (Prof. Dr. med. Erika Gromnica-Ihle).

Wenn Sie das Thema wie erwähnt ansprechen könnten, wäre das wunderbar.

Freundliche Grüsse
Lisa

Verfasst: 17.03.2014 18:38
von Stephan Gadola
Mach ich gerne.

Freundliche Grüsse

Prof Dr.med. Stephan Gadola

Verfasst: 03.04.2014 19:15
von LisaS
Sehr geehrter Herr Professor Gadola

Darf ich nachfragen, ob Sie die Gelegenheit hatten, mit jenem früheren Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zu sprechen (Assoziation Thyreoiditis mit SEKUNDÄREM Sjögren-Syndrom)?

Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen
Lisa

Verfasst: 06.04.2014 17:40
von Stephan Gadola
Sehr geehrte Lisa,

In der Tat, es waren sogar zwei frühere Präsidenten..

Sekundäres Sjögren ist Sicca Syndrom mit/ohne SSA/B Antikörpern bei bereits bekannter Rheumatoider Arthritis oder Kollagenose (z.Bsp. Lupus).

Primäres Sjögren ist gehäuft assoziiert mit Zöliakie, Typ1 Diabetes, autoimmuner Thyreoiditis (inkl. Hashimoto) oder primär biliärer Zirrhose.

wie bereits erklärt kann es aber im Rahmen von Schilddrüsenfunktionsstörungen auch zu "sekundären" Sicca Symptomen kommen (welche dann funktioneller Natur sind) - was aber nicht gleichbedeutent mit Sjögren.


Ich hoffe die informationen helfen Ihnen.

mit freundlichen Grüssen

Prof Dr.med. Stephan Gadola