Sjögren, ja oder nein?

In diesem Forum können medizinische Fragen gestellt werden, welche durch den Sjoegrenspezialisten Herr Prof. Dr. Stephan Gadola beantwortet werden. ACHTUNG: Bitte nehmt hier keinen Bezug zu allfälligen Praxisbesuchen bei Herrn Dr. Gadola.
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Viki
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Sjögren, ja oder nein?

Beitrag von Viki »

Sehr geehrter Herr Prof. Godola

Ich bin weiblich, 32 Jahre alt und möchte Ihnen gerne eine chronologische Übersicht über meine Beschwerden/Ereignisse aufzeigen:

30.10.21: Erste Impfung gegen Covid-19 mit Comirnaty.

09.11.21: Erstmals starke Gelenkschmerzen, zuerst Finger und Zehen, dann zusätzlich Knie und Ellbogen, Morgensteifigkeit bis zu 1 Stunde.

25.11.21: Besuch bei einer Rheumatoligin, welche mir folgendes diagnostizierte: Arthralgien/Synovitidien MCP Gelenke und vereinzelter PIP Gelenke. Rheumafaktor, Anti-CCP, ANA, Anti-dsDNA-Antikörper alle negativ. Anamnestisch Raynaud-Symptomatik seit ca. 15 Jahren. Vitamin D Mangel. Sie teilte mir mit, dass ich womöglich eine Oligoarthritis hätte. Ich bekam Ibuprofen und Plaquenil 200 mg.

29.11.21: Zweite Impfung gegen Covid-19 mit Comirnaty

02.12.21: Vorstellung in der Notaufnahme wegen plötzlicher Atemnot und Bruststechen. Nichts auffälliges wurde festgestellt. Eine leichte Myokarditis aufgrund der Impfung aber nicht ausgeschlossen.

13.12.21: Besuch bei einer HNO Ärztin, weil ich das Gefühl hatte einen trockenen Mund zu haben. Dabei kam heraus: Antinukleäre Ak 1:160 (Ref. Wert <80), ANA-Screen Elisa 0.2 (Ref. Wert <0.7), Anti SSA 0.5 (Ref. Wert <7), Anti SSB 0.4 (Ref. Wert <7). Zudem stellte sie fest, dass die Glandula submandibularis wolkig aufgelockert sei, Lymphknoten bland.

22.12.21: Vorstellung USZ Rheumatologie: BSR 4mm/h, CRP <0.6 mg/l. RF, anti-CCP, ANA, SSA, SSB, dsDNA, ANCA und Antiphospolipid-Ak negativ. C3/C4 normwertig. Unauffällige Proteinelektrophorese und Immunfixation. Speichelfliessratenmessung normal. Schirmertest ohne Anästhesie war rechts 10mm/5 min und links 20mm/5 min. Verdacht auf Arthritis wurde verneint und ich habe das Plaquenil abgesetzt.

Seit Januar 22: Brennende Muskelschmerzen an Oberschenkeln.

08.02.22: Besuch beim HNO im USZ: Sonographie zeigt bds. ein beginnendes Leopardenmuster (wolkige Veränderung) der Glandula submandibularis.

26.02.22: Coronainfektion.

28.03.22: Dritter Rheumatolog schliesst eine Arthritis auch aus. Grund für meine Schmerzen und Entzündungen an den Gelenken sei wohl eine Überstimulierung des Immunsystems aufgrund der Corona Impfung und erneut durch Coronainfektion.

April 22: Brennende, trockene Augen. Ausprobieren unzähliger Augentropfen auf Empfehlung des Augenarztes. Nichts half.

Mai 22: Schrimertest beim Augenartzt mit Anästhesie: links 2 mm/5 min, rechts 6 mm/5 min. Neue Augentropfen helfen wieder nicht. Kortisonhaltige Augentrofen und Eigenblutserum Augentropfen halfen auch nicht.

September 22: Erneut Schirmertest ohne Anästhesie: links und rechts je 1 mm/5 min. TBUT ergab beidseits 5-8 Sekunden.

Meine Gelenk- und Muskelschmerzen sind nach 8 Monaten endlich verschwunden. Seit 3 Monaten in dieser Hinsicht also beschwerdefrei. Ich leide aber seit über einem halben Jahr an stark trockenen Augen. Ich muss alle 10 min augentropfen. Bildschirmarbeit unmöglich. Mein Rheumatologe geht nicht von einem Sjögren aus. Er würde auch keine Lippenbiopsie machen, da dies zu störenden Ergebnissen führen kann (Taubheitsgefühl, störende Narbe etc). Zudem würde er mich nicht systematisch therapieren, da es kein geeignetes Medikament hierfür gibt und deshalb sieht er eine Lippenbiopsie als nicht zielführend.

Zusammengefasst kann man sagen, dass ich einen eindeutig positiven Schirmertest habe, welcher immer schlechter wurde (alle weiteren möglichen Ursachen, welche zu trockenen Augen führen können wie z.B. Linsen, Medikamente, Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes etc. wurden ausgeschlossen). Seit April 22 aufgrund der Augen nicht in der Lage zu arbeiten. Beide HNO Untersuchungen ergaben eine beginnende chronische Entzündung der glandula submandibularis mittels Sonographie. Speichelfliessratenmessung aber normal. Serologisch konnte im Hinblick auf Sjögren nichts auffälliges entdeckt werden (letzter Test vor einer Woche). Seit einem Monat habe ich zusätzlich gehäuft einen Tinnitus und Ohrenschmerzen und Schmerzen am Unterkiefer.

Nun frage ich mich, ob ich das Sjögren Syndrom habe? Gibt es noch noch weitere Untersuchungen welche ich machen kann (ausser Lippenbiopsie)? Sollte ich vielleicht noch die Alpha Fodrin AK testen lassen? Kann es sein, dass die Coronainfektion zu meinen extrem trockenen Augen geführt hat oder dadurch irgendwas (vielleicht Sjögren) getriggert wurde, dies aber serologisch noch nicht nachweisbar ist?

Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung.
Stephan Gadola
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Re: Sjögren, ja oder nein?

Beitrag von Stephan Gadola »

Sehr geehrte Vicky,

Vielen Dank für Ihre Angaben aufgrund welcher Sie die Frage Stellen ob Sie ggf. an einem Sjögren Syndrom leiden, und ob es ggf. sinnvolle Untersuchungen (ausser Lippenbiopsie) gäbe.

Sicher scheint, dass Sie an trockenen Augen (dry eyes disease, DED) leiden, allerdings ohne relevante Mund- und/oder Vaginaltrockenheit.
DED ist viel häufiger als ein "echtes" Sjögren Syndrom, und bei fehlender objektiver Mund- oder Vaginaltrockenheit und den Laborresultaten stimme ich mit Ihrem Rheumatologen überein und würde ebenfalls keine Lippenbiopsie durchführen. Die Beschreibung eines Leopardenmusters nur in den Submandibulardrüsen (ohne Parotis/Ohrspeicheldrüsen) ist auffällig, passt aber eher nicht zu einem Sjögren Syndrom.
Bzgl. der Augentrockenheit empfehle ich Ihnen möglichst viele verschiedene Präparate (Augentropfen und -gels) auszuprobieren, da es grosse individuelle Unterschiede gibt. Ggf. sollten Sie auch Öl- oder Hyaluronsäure-haltige Augentropfen versuchen, welche die Verdunstung des Tränenfilms vermindern.
Bzgl. weiterer Abklärungen würde ich vorerst zuwarten. Sollten die Symptome nicht bessern, dann könnten die Labortests in 6 Monaten nochmals einmalig (falls wieder negative Resultate) durchgeführt werden (ANA, Anti-SSA, Anti-SSB, Serumelektrophorese).

Freundliche Grüsse und gute Besserung,

Prof.Dr.med. Stephan Gadola
Bethesda Spital, Basel

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